Lettisches Centrum Münster e.V.

   

Lettland: Bevölkerungsentwicklung - Weniger Kindersegen und Familienglück
07.08.2010


Drei sind schon ein wirtschaftlich hohes RisikoMehr Lettinnen und Letten sterben als geboren werden, mehr Lettinnen und Letten wandern aus als zurückkehren. Somit reduziert sich die Zahl der Einwohner weiter. 1989, als Lettland noch unfreiwilliger Bestandteil der Sowjetunion war, betrug die Bevölkerungszahl noch mehr als 2,6 Millionen Einwohner. Am 1. Juli 2010 ist sie nach Angaben der lettischen Zentralen Statistikbehörde auf den neuesten Tiefststand von 2.238.000 gesunken. Diese Entwicklung hat mehrere Ursachen. Zunächst sind jene russisch- und ukrainischstämmigen Mitbürger zu erwähnen, die nach Wiedererlangung der nationalen Unabhängigkeit die Rückkehr in die Heimat vorzogen. Diese Immigranten hatten in den Fabriken der Lettischen Sozialistischen Sowjetrepublik gearbeit. Die Umstellung auf die Marktwirtschaft bedeutete das Ende des Industriestandortes Lettland. Außerdem verloren Russischsprachige in manchen Berufszweigen ihren Job, wenn sie nicht imstande waren, die Amtssprache Lettisch zu sprechen. Betrachtet man die allgemeine Entwicklung der Geburten- und Sterberate, die Zahl der Eheschließungen sowie der Abwanderung, so scheint auch für Tausende von jungen Letten die Absicht, in Lettland zu bleiben und hier gar eine Familie zu gründen, aussichtslos. Trotz leicht verbesserter Konjunkturdaten bleibt die Erwerbslosigkeit hoch und die spärlichen Sozialleistungen reichen gerade mal für kontrolliertes Verhungern unter Rigas neuer Südbrücke, für die das Geld regelrecht verprasst wurde. Doch auch die Löhne sind in vielen Sparten wieder so schmal geworden, dass Familien davon kaum leben können.

Gewiss bedeutet Familie im Alltag selten eine solche Foto-Idylle. Doch die soziale Situation erschwert vielen jungen Letten, in ihrer Heimat überhaupt an Familiengründung zu denken, Foto: Eric Ward auf Wikimedia Commons

Die lettische Statistikbehörde veröffentlichte am 5.8.10 folgende Zahlen, die einen direkten Zusammenhang zwischen der jüngsten Wirtschaftskrise und der Bevölkerungsentwicklung vermuten lassen. Im ersten Halbjahr dieses Jahres verlor Lettland 10.500 Einwohner, 0,47 Prozent der Bevölkerung. Die Sterbeziffer übertraf die Geburtenrate um 5.600 und die Zahl der Auswanderer jene der Einwanderer um 4.900.

Grafik der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung

Diese Grafik zeigt die unterschiedliche Bevölkerungsentwicklung in den einzelnen Ländern 2007.  Bei Hellblau reduziert sich die Einwohnerzahl um mindestens minus 0,1 Prozent. Dies ist der Wert für die meisten osteuropäischen Staaten und Deutschland. Die Ukraine liegt mit mindestens minus 0,5 Prozent noch darunter. Tiefrot bedeutet Bevölkerungswachstum von mindestens drei Prozent. Diese Werte erreichen in Afrika z.B. die Länder Tschad, Niger und Mali. Grafik: Wikimedia Commons

 

Der Negativtrend lässt sich auch an der Statistik der Eheschließungen ablesen. Gerade diese scheint der wirtschaftlichen Entwicklung zu entsprechen. In den sogenannten `fetten Jahren` trauten sich immer mehr Paare und ihre Zahl erreichte 2007 mit 15.486 geschlossenen Ehen den Höchststand. 2008 heirateten nur noch 12.946 Paare und 2009 fiel diese Zahl auf 9.925. Im ersten Halbjahr 2010 gab es nur noch 2.876 Hochzeiten, 716 weniger als in der ersten Hälfte des Vorjahres, dies ist eine Verringerung um etwa 20 Prozent.
 
Alkohol als letzter Tröster
 
Öffentliches Drink In als letzte Alternative zum unerreichbaren oder gescheiterten Familienleben ist auch bei lettischen Männern zu beobachten. Hier die Kunst- und Bettelaktion einer lebendigen Skulptur in Rom, Foto: Arpingstone auf Wikimedia Commons
 

Natürlich folgen die Geburtenraten diesem Trend: Die Geburtenrate erreichte 2008 mit 23.948 Neugeborenen den Höchstand seit 1994. In den Krisenjahren kamen dann weniger Kinder auf die Welt: Im Jahr 2009 nur noch 21677 und im ersten Halbjahr 2010 ist die Zahl auf 9.630 gesunken, fast 14 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.

Auch die Wirtschaftmetropole Riga wird beständig kleiner. Am 1. Juli zählten die Statistiker noch 702.700 Einwohner – 3.700 weniger als am Jahresbeginn.

Stand: 7.8.10

UB

 

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