Lettisches Centrum Münster e.V.

   

Lettland: (AS)² = PLL - Slesers` und Skeles Verbindung
30.06.2010


Ulmanis und Kirsons - die PLL-Aktivisten(AŠ)² = PLL, dies ist die Formel für das Gemeinschaftsprojekt der lettischen Oligarchen Ain?rs Šlesers und Andris Škele. Die beiden skandalbehafteten Unternehmer, die beträchtlichen Einfluss auf die Politik ausüben, waren bislang Konkurrenten in zwei verschiedenen konservativen Parteien. Unter der Führung von Škeles Tautas Partija (Volkspartei, TP), der Šlesers als Verkehrsminister der homophoben “Pfarrerpartei” Latvijas Pirm? Partija (Lettlands Erste Partei, LPP) angehörte, endete die überhitzte Konjunktur in einer wirtschaftlichen Talfahrt. Die weltweite Finanzkrise hat diesen Abschwung nur beschleunigt. Beide Parteien haben die Wählergunst verloren. Sie würden den Wiedereinzug in die Saeima bei den Parlamentswahlen im Oktober kaum schaffen. Da scheint eine Fusion die letzte Möglichkeit, Einfluss zu wahren.
Ex-Staatspräsident Guntis Ulmanis (links) ließ sich zum Vorsitzenden der PLL küren. Die neue Wochenzeitschrift "ir" porträtierte den PLL-Unternehmer Gunars Kirsons. Foto: UB

So gründeten die Oligarchen gemäß lettischer Tradition eine neue Wahlallianz, Par labu Latviju! (Für ein gutes Lettland! PLL) um die Fünf-Prozent-Hürde doch noch zu überspringen. Wieder wird mit privaten Sponsoren viel Werbeaufwand betrieben, die mit neuen Versprechungen über die bisherigen Verfehlungen hinwegtäuschen. Vielleicht können die beiden Oligarchen sogar mit dem Saska?as centrs (Zentrum der Eintracht, SC), dem Parteienbündnis der russischstämmigen Minderheit, im Herbst die Regierung übernehmen. Derzeit probt das Šlesers schon mal, nämlich als Stellvertreter des SC-Bürgermeisters Nils Ušakovs im Rigaer Rathaus.

Auf Vereinigungsparteitagen entstand in den letzten Wochen die Allianz PLL, die sich zugleich als Wahlbündnis und Bürgerbewegung versteht. Guntis Ulmanis, Lettlands erster Staatspräsident nach der wiedererlangten Unabhängigkeit, ließ sich zum Vorsitzenden wählen, obwohl er bislang als Oligarchen-Kritiker galt.

Skele 1999 als Ministerpräsident

Andris Skele deklariert die Interessen der Unternehmer zum allgemeinen Volkswillen, Foto: wikipedia.lv

 

Die LPP, die Š??le als “Volksbewegung” bezeichnet wissen möchte, präsentiert sich der Öffentlichkeit als Unternehmerbund. In ihr engagieren sich u.a. Gun?rs ?irsons, der Gründer einer bekannten Rigaer Restaurantkette und Ieva Plaude-R?lingere, die Inhaberin des größten lettischen Kosmetikvertriebs. Für Š??le ist es kein Widerspruch, dass eine Volksbewegung vor allem von Wirtschaftsgrößen geführt wird und deren Interessen vertritt. Er bekennt offen, dass sein Wahlbündnis eine Lobby-Gruppe ist. In einem Interview mit dem Business-Portal nozare.lv behauptete er, dass die Unternehmer die einzige Quelle darstellten, mit deren Energie und Enthusiasmus der Staat aus den Schulden herauskomme.

Š??le leugnet die enge Zusammenarbeit mit Unternehmern nicht, sondern stellt sie sogar als besonderen Vorzug heraus, denn bisher fehle ihnen eine wirksame Vertretung. “Es ist wichtig, für folgende Ziele einzutreten: Dass die Zweifel der Unternehmer an einer positiven Entwicklung des Landes sich verringern und dass sie eine politische Lobby bekommen. Die Unternehmer begehren nicht nur eine gewerbsmäßige, sondern auch eine politische Lobby. In Lettland werden sie fortwährend ignoriert,” behauptet der Ex-Premier und Inhaber verschiedener Firmen. Die lettischen Unternehmerverbände wie die Latvijas Darba dev?ju konfeder?cija (Lettlands Arbeitgeberverband), oder die Latvijas Tirdzniec?bas un r?pniec?bas kamera (Lettlands Industrie- und Handelskammer) erfüllten ihren Zweck nicht, weil sie im Auftrag der (liberalkonservativen) Regierung handelten.

Von den Zielen der neuen Volksbewegung PLL erhielt der Leser des Portals delfi.lv bereits am 28. Mai eine Vorstellung. Noch vor der offiziellen Gründung organisierten der Manager Ivars Kalviš?is, der Politiker und Wirtschaftsprofessor Uldis Osis und der Vorsitzende der TP-Jugendorganisation, M?rti?š Zem?tis, eine PLL-Konferenz zum Thema “Progressive Einkommenssteuer – Modernes Verteilungsmittel der Marktwirtschaft oder ein Gespenst des Kommunismus?”.

Es sei daran erinnert, dass in nahezu allen westlichen Staaten, inklusive Schweiz und USA, reichere Bürger einen höheren prozentualen Steuersatz zahlen als ärmere. In Lettland entrichten alle Lohnabhängigen dagegen einen Einheitssatz von 23 Prozent. Nach Eurostat-Daten hat der ehemalige baltische Tiger eines der niedrigsten Steueraufkommen der EU (28 Prozent vom BIP im Jahr 2008, zum Vergleich: Deutschland: 39,4 Prozent, Schweden 47,1 Prozent). Kalviš?is sieht in der Steuerprogression aber eine Gefahr für die Marktwirtschaft:
“Das System der progressiven Einkommenssteuer steht ihrem Wesen nach im Widerspruch zum Grundprinzip der Marktwirtschaft, das besagt – jener verdient mehr, der mehr arbeitet. Die progressive Einkommenssteuer zielt auf die Gleichmacherei der Gesellschaft. Die Aktualität der Frage ist politische Rhetorik, die man benutzt, um gesellschaftliche Aufmerksamkeit zu erzielen. Meistens hat ihre Einführung dazu geführt, die Entrichtung von Steuern zu vermeiden und es schaffte Umstände, das Kapital in Länder mit niedrigen Steuern zu verlagern. Außerdem muss man die Einführung einer solchen Steuer im Zusammenhang mit der konkreten ökonomischen Situation im Land betrachten.”
LPP-Propaganda: Wohlfeile Parolen für den Wähler
Das PLL-Propagandablatt fanden die Rigenser in ihren Briefkästen. Foto: UB
Im PLL-Wahlkampfblatt, das seit dem 19. Juni in den Rigaer Briefkästen liegt, veröffentlichen die Parteistrategen schöne Parolen, auf Lettisch und Russisch. So stehe laut Š??le der Mensch im Mittelpunkt. Parteigänger betonen die Bedeutung von Familie und Kindern. In der Schule liege Lettlands Zukunft usw. usw. Šlesers nutzte das Propagandapapier als neue Plattform für seine bekannte Vollmundigkeit: Schon bald werde ganz Europa über das lettische Wohlstandsmodell sprechen. Und er erinnerte an sein bislang nicht eingelöstes Versprechen, das er vor seiner Wahl in den Rigaer Stadtrat im letzten Sommer abgab: Nun werde er nicht 50.000 Arbeitsplätze schaffen, sondern mehr.

Stand: 1.7.10

UB

 

Externe Linkhinweise:

Andreas Michael Klein: Eine unheilige Allianz: LPP/LC und TP schließen Wahlbündnis "Für ein gutes Lettland" (Par labu Latviju)

delfi.lv:TP un LPP/LC s?ks veidot apvien?bu v?l?šan?m

delfi.lv: PLL neatbalsta progres?vo nodok?u sist?mu

delfi.lv: Š??le n?kamaj? Saeim? v?las lob?t uz??m?ju intereses




 
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