Nachricht des Tages in Lettland: Staatspräsident Valdis Zatlers feuert die Saeima-Abgeordneten
28.05.2011
Der lettische Staatspräsident Valdis Zatlers hat in seiner TV-Ansprache am Samstagabend erklärt, die 10. Saeima aufzulösen. Das berichten die lettischen Webportale delfi.lv und diena.lv. Nach Paragraph 48 der Verfassung hat das Staatsoberhaupt diese Möglichkeit. Danach muss eine Volksabstimmung seinen Beschluss bekräftigen. Wenn die Mehrheit der Wahlbürger dem Präsidenten beipflichtet, wird die Saeima neu gewählt. Die jetzigen Parlamentarier kamen erst im letzten Oktober in ihr Amt. Hintergrund ist offenbar die Entscheidung des Parlaments vom Donnerstag, der Antikorruptionsbehörde KNAB Ermittlungen gegen den Abgeordneten Ain?rs Šlesers (Par labu Latviju, Für ein gutes Lettland, PLL) zu untersagen. Die Fahnder hatten gegen ihn, seinen Parteifreund Andris Š??le und den Bürgermeister von Ventspils, Aivars Lembergs, wegen Korruption und Geldwäsche ermittelt und Hausdurchsuchungen durchgeführt. Die drei Geschäftsmänner gelten als die einflussreichen “Oligarchen” des Landes. Nun sollen sie Absprachen getroffen haben, um auf illegale Weise die Geschäftspolitik des Rigaer Freihandelshafens, der Fluggesellschaft AirBaltic und weiterer Firmen zu manipulieren.
Der lettische Staatspräsident Valdis Zatlers, Foto: World Economic Forum auf Wikimedia Commons
Neben der Oppositionspartei PLL ist auch die mitregierende Union der Grünen und Bauern/ Za?o un zemnieku savien?bas (ZZS) von der Affäre betroffen. Ihr kapitalkräftiger Mann im Rücken ist der Multimillionär Aivars Lembergs. Gegen den Bürgermeister der Ölhafenmetropole Ventspils wird schon seit Jahren ermittelt. Auch die ZZS-Abgeordneten stimmten am Donnerstag gegen die KNAB-Initiative oder enthielten sich der Stimme. Dass Zatlers wenige Tage vor dem Ende seiner Amtszeit seine Macht demonstriert, überraschte die politischen Beobachter. Zuvor hatte ihm jedoch der ehemalige Vorsitzende des lettischen Verfassungsgerichts, Aivars Endzi?š, öffentlich zu diesem Schritt geraten. Am Samstagnachmittag hatte sich der Präsident noch mit dem Regierungschef Valdis Dombrovskis und der Parlamentsvorsitzenden Solvita ?bolti?a getroffen. Sie gehören der größeren Regierungsfraktion Vienotiba/Einigkeit an, die als oligarchenkritisch gilt.
Mit seinem Beschluss wolle er den Bürgern die Möglichkeit geben, jenen Gruppierungen ihre Grenzen aufzuzeigen, die eigenmächtig handelten und den gemeinsam erarbeiteten Reichtum in Steuerparadiese verfrachteten. Seine Rhetorik unterzog das gesamte Establishment der Selbstkritik: “Es muss Schluss damit sein, dass wir anders denken als reden und wiederum anders handeln, es muss Schluss sein mit diesem Verhalten gegen unsere Bürger.”
Diese Entscheidung ist ein Paukenschlag nach einer turbulenten Woche. Auch wenn ZZS-Fraktionsvorsitzender Augusts Brigmanis eine Durchsuchung von Lembergs` Büro vor der Präsidenten-Wahl für eine übliche Machenschaft hält, die alle vier Jahre vorkomme, damit aber nichts gesagt haben will: Die neueste Oligarchenstory dürfte der lettischen Gesellschaft und der Lettischen Presseschau in den nächsten Monaten noch reichlich Stoff liefern.
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