Polizisten hatten bereits in der Nacht die gelben Gitter am Freiheitsdenkmal in Riga aufgestellt, um einige hundert SS-Legionäre, ihre Angehörigen und Sympathisanten von einigen Dutzend Gegendemonstranten zu trennen. Zunächst besuchten die Kriegsveteranen wie in jedem Jahr eine Messe im Rigaer Dom, um von dort aus durch die Innenstadt zum Nationaldenkmal zu ziehen. Auf den letzten Metern bildeten ihnen Jugendliche ein Spalier mit lettischen Fahnen. Unter der Figur der Milda, die das Freiheitssymbol der lettischen Nation ist, legten die Gedenkgänger Blumen nieder. Demonstranten und Gegendemonstranten lieferten sich wie im jeden Jahr scharfe Wortgefechte. Aber das Aufgebot von 1200 Polizisten ließ keine Gewalt zu. Die Ordnungshüter nahmen nach Angaben von tvnet.lv eine Person wegen „Hooliganismus“, zwei weitere wegen Gebrauchs nazistischer und sowjetischer Symbole fest. Solche Symbole zeigten auch die Legionäre: Mit Schildern, auf denen sowohl der Nazi-Reichsadler als auch Hammer und Sichel durchgestrichen waren, distanzierten sie sich von jeglicher Form totalitärer Herrschaft. Letten betrachten den 16. März als Gedenk- und Trauertag für Angehörige, die von der deutschen SS zwangsrekrutiert wurden, und wundern sich über die internationale Empörung. Staatspräsident Andris B?rzi?š bedauerte die antifaschistischen Proteste.
Der lettische Staatspräsident Andris B?rzi?š, Foto: Saeima auf Wikimedia Commons
Andris B?rzi?š: Erniedrigung Lettlands oder Efraim Zuroff: Falsche Glorifizierung von Freiheitskämpfern
B?rzi?š hatte zuvor im Privatsender LNT seine Meinung zum 16. März geäußert. Er bedauere, dass manche Personen aus dieser Veranstaltung politisches Kapital schlagen wollten: „Nicht nur hier an Ort und Stelle. Es gibt genügend Demonstranten aus vielen Ländern, selbst aus jenen, wo bekannt ist, dass diese Menschen keine Verbrecher sind. Deshalb scheint mir das eine völlig inakzeptable Art, wie Lettland erniedrigt wird.“ Der lettische Staatspräsident war vor seiner Amtsübernahme Abgeordneter der Za?o un Zemnieku savien?ba (ZZS, Bündnis der Grünen und Bauern). Deren historische Sichtweise ist ähnlich nationalkonservativ wie jene der mitregierenden rechtsradikalen Nationalen Allianz. Man könnte B?rzi?š zustimmen, wenn der 16. März lediglich ein Trauer- und Gedenktag wäre. Schließlich starben junge Letten für fremde nazistische Kriegsziele. Als wieder die Sowjets herrschten, wurden die Überlebenden, die meistens von den Nazis zwangsrekrutiert worden waren, deportiert und durften keine akademischen Berufe ausüben, sie lebten weitaus schlechter als jene, die in den Reihen der Roten Armee gedient hatten. Doch nationalkonservative Politiker und Vertreter des Legionärsverbandes Daugavas Vanagi politisieren den Gedenktag selbst, in dem sie den Kampf gegen die Rote Armee zum Freiheitskampf erheben. Das muss internationale Reaktionen provozieren. Welche Freiheit hätten Letten und Europäer genossen, wenn die SS-Legionäre an der Seite der deutschen Wehrmacht tatsächlich den Endsieg errungen hätten? Darüber erfährt man wenig vom nationalkonservativen Establishment. Zum Legionärstag fand sich Efraim Zuroff, Leiter des Simon-Wiesenthal-Center, in Riga ein. Er erinnerte daran, dass Lettland bei einem deutschen Endsieg seine Unabhängigkeit nicht zurückerlangt hätte. Es sei zwar richtig, dass die Legion nicht am Holocaust beteiligt gewesen sei, doch einige Personen, die zuvor Massenmord verübten, hätten in ihr Unterschlupf gefunden. Für ihn sind die Legionäre keine Helden und ihre Geschichte habe nichts mit der lettischen Unabhängigkeit zu tun. Er hoffe auf Änderungen im Schulsystem, das über den Holocaust und die mit ihm verbundenen Fakten unterrichten müsse und auf mutige Politiker, die dem Volk die Wahrheit sagten, auch die unbequemen.
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16. März: Lettlands spalterischer Gedenktag
Externe Linkhinweise:
tvnet: Zurofs - Latvijas le?ion?ru glorific?šana balst?ta uz pie??mumu
tvnet: Prezident - le?ion?ri nav noziedznieki
Le?ion?ru piemi?as pas?kums beidzas bez b?tiskiem starpgad?jumiem
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