Lettland: Flattax-Konkurrenz verhindert die Einführung eines sozialeren Steuermodells
03.10.2013
Der Abgeordnete der oppositionellen Fraktion Saka?as Centrs/ Zentrum der Eintracht, Ivans Ribakovs, fragte im Haushaltsauschuss der Saeima den Regierungschef Valdis Dombrovskis am 2.10.2013, warum sein Kabinett nicht die progressive Einkommenssteuer einführe. Das berichtete die Nachrichtenagentur LETA. In Lettland gilt wie in den osteuropäischen Nachbarländern die sogenannte „Flattax“. Das bedeutet: Ein Billigjobber muss prozentual genauso viel Steuern zahlen wie ein Spitzenverdiener (derzeit 24 Prozent). Im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt ist Lettland ein Niedrigsteuerland, entsprechend spärlich sind die Sozialausgaben. Zudem ist das Einkommen hierzulande ungleicher verteilt als in anderen EU-Ländern. Dombrovskis antwortete nicht ideologisch, sondern mit praktischen Erwägungen.
Gebäude des lettischen Ministerkabinetts in Riga, Foto: LP
Keine prinzipiellen Einwände gegen die progressive Besteuerung
Seit Jahren diskutieren lettische Politiker, Ökonomen und Sozialexperten über dieses Thema. Für den ehemaligen Jaunais-Laiks/ Neue-Zeit-Premier und Finanzminister Einars Repše war die neoliberale Flattax eine Art Glaubensfrage, eine prozentuale gestaffelte Besteuerung passe nicht zur lettischen Gesellschaft, antwortete er zur Zeit der Finanzkrise vor der Fernsehkamera. In den Reihen der Regierungspartei Vienot?ba/ Einigkeit, weitgehend der liberalkonservative Nachfolger von Jaunais Laiks, findet die Idee, die Einkommenssteuer wie in westeuropäschen Ländern zu erheben, inzwischen durchaus Anklang. Der lettische Ministerpräsident wendet dagegen offenbar keine grundsätzlichen ideologischen Bedenken ein, zweifelt aber an der Durchführbarkeit. Er wies auf die Debatten während der Parex-Bank-Krise hin. Damals sei der Vorschlag, das Einkommen mit einer progressiven Steuer zu belasten, in der Bevölkerung unbeliebt gewesen. Denn auch die Bezieher mittlerer Einkommen von 300 bis 500 Lats (427 bis 712 Euro) fürchteten damals steigende Steuern. Eine höhere Besteuerung erst ab Einkommen von 1000 Lats (1423 Euro) sei aber fiskalisch nicht ergiebig. Als Alternative schlägt der Ministerpräsident vor, das unversteuerbare Mindesteinkommen anzuheben, um so Geringverdiener zu entlasten. Dombrovskis argumentierte außerdem im Lettischen Radio mit der Flattax-Konkurrenz der baltischen Nachbarländer. „Wenn wir allein gehen, erhoffen wir das Unerreichbare“. Er fürchtet, dass die Letten dann ihre Steuern lieber in Estland und Litauen entrichteten. Seine Regierung habe mit der nach Kohlendioxid-Ausstoß gestaffelten Kraftfahrzeugsteuer schon entsprechende Erfahrungen gemacht: Obwohl die EU diese Steuer allen Ländern empfahl, habe von den drei baltischen Ländern nur Lettland sie eingeführt. Das Ergebnis ist, dass Letten ihre Kohlendioxid-Schleudern nun in Estland und Litauen versteuern, sie aber auf lettischen Straßen benutzen.
Weiterer LP-Artikel zum Thema:
Externe Linkhinweise:
nra.lv: Dombrovskis: Latvijai vienai pašai ieviešot progres?vo ien?kuma nodokli, cer?to nepan?ksim
apollo.lv: Dombrovskis skaidro, k?p?c netiek ieviesti progres?vie nodok?i
zurück