Lettische Regierung weiterhin in Air-Baltic-Turbulenzen
12.11.2015
Soziologe Aigars Freimanis bemängelt Handlungsfähigkeit der Regierung
Ralf Dieter Montag-Girmes lud am 9.11.2015 Journalisten in die Zentrale der Fluggesellschaft Air Baltic. Er nannte es sonderbar, wie die lettischen Medien einen neuen Investor begrüßten und wies deren Vorwürfe zurück. Die 52 Millionen Euro, mit denen er 20 Prozent der Air-Baltic-Aktien erwerben will, habe er selbst verdient oder stammten aus Familienbesitz. Er arbeite nicht für den russischen Geheimdienst. Seine Investition erfolge unabhängig von der Frage, ob die lettische Fluggesellschaft russische Flugzeuge anschaffe oder nicht. Auch Martin Gaus war anwesend. Er ist Vorstandsvorsitzender der Airline, die sich bislang fast hundertprozentig in Staatsbesitz befindet. Der Deutsche hatte den Kontakt zu Montag-Girmes vermittelt. Er verteidigte seinen Landsmann und zeigte sich über die lettische Berichterstattung enttäuscht. Mit dem Beschluss, Montag-Girmes als Investor zu akzeptieren, habe die Regierung die beste Entscheidung der letzten vier Jahre getroffen. Er wolle sich nicht in die Politik einmischen, aber was gerade geschehe, sei nicht „okay“. Gaus beklagte sich über die zahlreichen Gerüchte und Unwahrheiten. Die Öffentlichkeit kennt die schriftlichen Vorlagen nicht, die hinter geschlossenen Türen verhandelt werden. So können die Journalisten nur die widersprüchlichen Aussagen der Beteiligten darstellen, die erhebliche Turbulenzen in der Regierung verursachen. Anrijs Mat?ss wurde wegen des umstrittenen Investors als Verkehrsminister entlassen. Am 10.11.2015 wiederholte er seine Bedenken und ein Vertreter der Regierungsfraktion der Grünen und Bauern (ZZS) stellt wieder mal die Koalition in Frage.
Die Bombardier-CSeries 300 soll die Boeing-Maschinen ersetzen, dafür braucht Air Baltic Kapital, Foto:"Bombardier CSeries mockup" by Pastordiaz (original); Arz (crop) - http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bombardier_CSeries_mockup.jpg. Licensed under CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons.
Die Furcht vor russischen Flugzeugen
Mat?ss erneuerte einen Tag nach Montag-Girmes` Pressekonferenz seine Vorbehalte. Montag-Girmes werde vertraglich das Recht zugesichert, über Einkäufe zum eigenen Vorteil mit zu entscheiden. Der Vienot?ba-Politiker spekulierte erneut über russische Flugzeuge: „Ich werde nicht zustimmen, dass Lettlands staatliche Fluggesellschaft Flugzeuge benutzt, die sonst niemand in Europa benutzt, nämlich in Russland produzierte Maschinen.“ Bislang ist der Kauf von 13 kanadischen Bombardier-Flugzeugen geplant. Dafür benötigt Air Baltic dringend frisches Geld. Neben den 52 Millionen Euro von Montag-Girmes sollen 80 Millionen aus der Staatskasse hinzukommen. Doch die mitregierenden Fraktionen der Nationalen Allianz und der Union der Grünen und Bauern (ZZS) distanzieren sich von Montag-Girmes und verlangen eine andere Lösung. Augusts Brigmanis, ZZS-Spitzenpolitiker, forderte in einem LTV-Interview vom 10.11.2015 eine Überprüfung des Vertragsentwurfs. Er appelliert, nach anderen Investoren Ausschau zu halten und hat Bedenken, weil der Staat die größere Summe als Kredit zur Verfügung stellen soll. Im selben Interview stellte er den Fortbestand der Koalition in Frage. Zwar sei seine Fraktion entschlossen, dem Haushaltsentwurf für das kommende Jahr zuzustimmen, doch „was nach dem 30. November geschehen wird, kann ich nicht sagen.“ Einen Tag später erklärte Brigmanis nach einer ZZS-Fraktionssitzung, dass eine Reihe seiner Kollegen bezweifelten, ob eine eigene Fluglinie für Lettland überhaupt von Vorteil sei. Spekulationen über einen Regierungssturz sind in Lettland keine Sensation. Trotzdem erweisen sich die seit 2009 von der Partei Vienot?ba angeführten Regierungen als recht stabil. Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma will nun russische Suchoi-Jets in der Air-Baltic-Flotte verhindern und lässt den Vertragsentwurf diesbezüglich überprüfen. Dies meldete irlv.lv am 12.11.2015. Straujuma hatte wegen der unerwarteten Entlassung ihres Parteifreundes Mat?ss selbst Verwunderung und Kritik ausgelöst.
ZZS-Politiker Brigmanis stellt die Koalition in Frage, Foto: "Augusts Brigmanis" by Saeima - Augusts Brigmanis. Licensed under CC BY-SA 2.0 via Wikimedia CommonsUntätigkeit als Plan
Soziologe Aigars Freimanis, der von Journalisten häufig gebeten wird, die aktuelle Politik zu kommentieren, kritisierte in einer LTV1-Sendung vom 10.11.2015 die von Straujuma geführte Regierung scharf. Sie sei bürokratisch und handlungsunfähig. Ihr gelinge keine einzige große Tat. Nicht nur die Zukunft von Air Baltic stehe auf dem Spiel, auch Fragen, wie die Lehrergehälter und das Gesundheitssystem reformiert werden sollen, seien ungelöst. Und demnächst stehe der Kauf neuer Passagierzüge an. (Der Versuch, neue Züge einzukaufen, hat schon einige Skandale verursacht). Freimanis klagt, dass in der derzeitigen Regierung viele ehemalige Beamte zu finden seien. Mit Ausnahme des Gesundheitsministers Guntis Bel?vi?s und der Bildingsministerin M?r?te Seile sei der Plan aller anderen, untätig zu bleiben. Für Missstimmung sorgte auch Vienot?ba-Vorsitzende Solvita ?bolti?a. Sie verkündete letzte Woche, dass ihre Parteifreundin Straujuma in einer Fraktionssitzung die Bereitschaft zum Rücktritt bekundet habe. Die Regierungschefin dementierte dies. Die Lehrer wollen am 27.11.2015 in einen Warnstreik treten.
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