Korruptionsskandal des städtischen Verkehrsbetriebs Rigas Satiksme
19.12.2018
Rigas Bürgermeister Nils Usakovs zum Rücktritt aufgefordert
Ein neuer Korruptionsskandal bringt Rigas Stadtregierung in Schwierigkeiten. Die Antikorruptionsbehörde KNAB durchsuchte am 11. Dezember den städtischen Verkehrsbetrieb Rigas Satiksme (RS) sowie Büros im Rathaus. Danach nahmen die Fahnder sechs Verdächtige fest, darunter einen leitenden Angestellten des stadteigenen Unternehmens, dessen Vorstand zwei Tage später geschlossen zurücktrat. Die KNAB-Ermittler wurden von ihren polnischen Kollegen informiert. Bei drei Bus- und Straßenbahnkäufen von einem polnischen und von tschechischen Herstellern sollen Bestechungsgelder in Höhe von mindestens 800.000 Euro im Spiel gewesen sein. Die Affäre setzt nun auch Rigas Stadtregierung unter Druck. Der Vizebürgermeister Andris Ameriks trat am 17. Dezember zurück, weil er seinen eigenen Ruf, den der Stadtregierung und seiner Partei nicht gefährden wolle. Doch die Opposition im Rathaus gibt sich damit nicht zufrieden, sie fordert die Demission des Bürgermeisters Nils Usakovs und eine Neuwahl des Stadtparlaments.
Rigaer Straßenbahn der Marke Skoda, Foto: CC BY-SA 3.0, SaiteZu den Festgenommenen zählt u.a. der Bauunternehmer Martins Martinsons, gegen den lettische Behörden schon in anderen Zusammenhängen ermitteln. Die Verdächtigen waren über ihre Privatfirmen am Geschäft mit Bussen und Bahnen beteiligt. Zum Teil waren ihre Unternehmen offenbar fiktiv und hatten lediglich den Zweck, die Herkunft von Bestechungsgeldern zu verschleiern. Auch in Polen erfolgten zwei Festnahmen.
Bislang sind der Öffentlichkeit drei Käufe bekannt, die wahrscheinlich durch Schmiergeldzahlungen zustande kamen: 2013 vereinbarte RS mit der polnischen Firma Solaris Bus & Coach für 75.808.297 Euro 175 Linienbusse zu liefern. Im selben Jahr bestellte RS bei dem tschechischen Hersteller Skoda Electric 125 Oberleitungsbusse im Wert von 131.646.135 Euro. 2016 lieferte Skoda Transportation 20 Straßenbahnen für den Preis von 62.597.477 Euro. Zuvor waren die Aufträge eu-weit ausgeschrieben worden. (apollo.tvnet.lv)
Die Fahnder nannten 800.000 Euro Bestechungsgelder nur als eine vorläufig ermittelte Mindestsumme, es sei noch viel Fahndungsarbeit zu leisten. Rigas Verkehrsbetrieb war schon des öfteren in Korruptionsaffären verwickelt. Zum Beispiel hatten die KNAB-Fahnder 2011 herausgefunden, dass die Daimler-Tochter Evo Bus GmbH Mitte der Nullerjahre überteuert Busse an RS verkauft hatte. Ein Teil davon, 4,3 Millionen Euro, wurde für Bestechungsgelder abgezwackt (LP: hier). Usakovs, der damals erst seit kurzer Zeit Bürgermeister war, beurlaubte den RS-Vorstandsvorsitzenden Leons Bemhens, der dann wieder ins Amt kam und noch mehrere Affären in seinem Unternehmen überstanden hat. Nun trat er mit dem gesamten RS-Vorstand am 13. Dezember zurück.
Die Fahnder der lettischen Antikorruptionsbehörde interessieren sich für den städtischen Verkehrsbetrieb "Rigas satiksme", Foto: LP
Andris Ameriks war seit 2010 stellvertretender Bürgermeister und Vorsitzender der Stadtpartei Gods kalpo Rigai (Die Ehre Riga zu dienen), die als kleinerer Koalitionspartner mit der Partei Saskana zusammen die lettische Hauptstadt regiert. Er versicherte den Journalisten, dass er mit den Einkäufen städtischer Verkehrsmittel nichts zu tun habe. Er versuchte Zweifel zu entkräften, weil er Kontakte zu Martinsons hatte: "Den Unternehmer Maris Martinsons kenne ich seit mehreren Jahren, sogar seit zehn Jahren. Ich bin der Ansicht, dass meine Bekanntschaft mit Maris Martinsons die Ursache aller Verdächtigungen über mich und diesbezüglich verbundener Gesetzesverstöße ist. Niemals, seit ich ihn kenne, war ich in irgendwelche illegale Machenschaften verwickelt oder habe solche begangen." (lsm.lv) Skepsis bleibt aber: Der LTV-Sendung De Facto wollte der Politiker nicht verraten, ob KNAB auch sein Büro durchsucht hat, zudem wurde er im letzten Jahr mit Martinsons in einem Restaurant in Minsk beobachtet. Bürgermeister Nils Usakovs bedauerte den Rücktritt und ließ sich selbst in einer außerordentlichen Sitzung des Stadtrates im Amt bestätigen. Doch die Opposition gibt sich damit nicht zufrieden.
Roland schaut auf das Rathaus in Riga, Foto: LPRigas städtische Oppositionsparteien befinden sich im nationalen Parlament auf der Regierungsseite. Die mitregierende Nationale Allianz hat auf einem Kongress am 15. Dezember ihren Minister für regionale Entwicklung, Kaspars Gerhards, beauftragt, den Stadtrat der lettischen Hauptstadt aufzulösen. Doch dieser zögert noch, weil der Sachverhalt juristisch noch nicht geklärt sei (lsm.lv).
Juta Strike, die einst stellvertretende KNAB-Leiterin war und nun Saeima-Abgeordnete der Jauna Konservativa Partija ist, leitet die Parlamentskommission für öffentliche Ausgaben. Sie macht Usakovs für Korruption und Geldverschwendung verantwortlich: "Jeden Tag, an dem Usakovs Rigas Stadtrat regiert, wird den Rigensern Geld gestohlen, werden widerrechtliche Beschlüsse gefasst." Auch nach früheren Skandalen habe sich nichts verbessert. (lsm.lv)
Den Korruptionsskandal versuchen die lettisch orientierten Parteien zu nutzen, um die Partei Saskana, die in der Saeima ebenfalls die größte Fraktion bildet, aber als Vertreterin der russischsprachigen Minderheit von der Regierung ausgeschlossen ist, auch in Rigas Rathaus von der Macht zu verdrängen.
Staatspräsident Raimonds Vejonis unterstützt dieses Bestreben. In der TV-Sendung Viens pret Viens war Vejonis der Ansicht, dass sich Lettland westlichen Standards annähern müsse: "Und dort entscheiden sich gewöhnlich Politiker in solchen Situationen, wenn sie Informationen über mögliche Korruption, mögliches verantwortungsloses Handeln gewahr werden, zum Rücktritt." (lsm.lv)
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