Lettisches Centrum Münster e.V.

   

Lettlands Bevölkerungsschwund abgebremst, aber weiterhin rückläufig
08.06.2019


Nur die Zahl der Senioren wächst beständig

Rigas PorzellanfabrikIm letzten Oktober versprach die neue Partei „Wem gehört das Land?“ (KPV) dafür zu sorgen, dass Lettland in der Jahrhundertmitte wieder 2,5 Millionen Einwohner hat (LP: hier). Soviele Bürger und Nichtbürger hatte die mittlere Baltenrepublik zuletzt in den 90er Jahren. Inzwischen ist ihre Einwohnerzahl auf unter zwei Millionen gesunken. Die KPV, der Shooting Star unter Lettlands Parteien, erreichte bei der Saeima-Wahl aus dem Stand 14,4 Prozent der abgegebenen Stimmen, das war Platz zwei hinter Saskana mit 19,8 Prozent. Die KPV hatte in ihrem Wahlprogramm den Vorschlag gemacht, den wirtschaftlichen Erfolg Lettlands nicht wie in der herkömmlichen Ökonomie am Bruttoinlandprodukt, sondern am Bevölkerungszuwachs zu messen. Lettland verliert aber weiterhin Einwohner, doch 2018 war der Schwund mit minus 4.905 deutlich geringer als in den Vorjahren, nur 1999 war der Verlust mit minus 4.085 Menschen noch geringer. Ob sich erstmals seit der wiedererlangten Unabhängigkeit eine Umkehrung im Bevölkerungssaldo andeutet, bleibt ungewiss. Die Abbremsung ist noch als Verdienst der Vorgängerregierungen zu werten, die den Mindestlohn anhoben und höhere Gehälter in einigen Berufsgruppen in Aussicht stellten. Mit höheren Gehältern sollen beispielsweise medizinische Fachkräfte davon abgehalten werden, in die weitaus lukrativeren EU-Länder Westeuropas zu emigrieren.

Dies ist ein Foto von Rigas ehemaliger Porzellanfabrik. Sie wurde inzwischen abgerissen, an ihrer Stelle entstand eine weitere Shopping-Mall. Die ehemalige Industriestadt verwandelt sich in ein Einkaufsparadies, doch das Geld dafür müssen viele Letten im Ausland erwirtschaften, Foto: LP

 

Lettlands Bevölkerungsentwicklung nach der Unabhängigkeit 1991 bis 2017, nach Altersgruppen:Lettlands Bevölkerungsentwicklung

Quelle: Centrala statistikas parvalde, csb.gov.lv

Lettlands Einwohnerzahl reduziert sich seit 1989 fortlaufend. Im Jahr 2015 fiel sie erstmals unter die Zweimillionenmarke und ging bis heute auf 1.934.379 zurück. Die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter (15 bis 64 Jahre) betrug 1991 noch 1.773.456 – und im Jahr 2018 nur noch 1.240.232. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen (bis 14 Jahre) ist von 570.196 im Jahr 1991 auf 292.162 im Jahr 2013 gesunken, steigt seitdem aber wieder: 2018 lebten 305.291 Heranwachsende im Land. Die Zahl der Senioren (Ü 64) wächst deutlicher: 1991 waren 314.509 Menschen dieser Altersgruppe gemeldet, im letzten Jahr 388.856. Seit dem Jahr des EU-Beitritts 2004 ist die Altersgruppe der Ü-64-Jährigen größer als jene der 0-bis-14-Jährigen.

Lettlands Statistiker ermittelten zudem, dass der Bevölkerungssaldo in allen Regionen negativ ist, auch die Hauptstadt Riga schrumpft weiter, nur in der Umgebung Rigas, wo sich neue Unternehmen ansiedeln und die Lebenshaltungskosten geringer sind, wird eine Zunahme registriert. Die größten Rückgänge hatten 2018 die wirtschaftlich stärkste Stadt und die schwächste Region zu verzeichnen: Riga und Lettgallen.

Auch der Migrationssaldo war seit 1991 stets negativ. Mit minus 53.474 erreichte er 1992 seinen bisherigen Rekord. Damals begrüßten wohl viele Letten den Schwund: Denn unter den Emigranten befanden sich viele Rotarmisten. Später emigrierten aber auch Letten nach Schweden, Irland, Großbritannien und andere westeuropäische Länder, wo man als Erntehelfer mehr verdienen konnte denn als Lehrer oder Wissenschaftler in der eigenen Heimat. Die Finanzkrise entfachte eine Emigrationswelle. Lohnabhängige, denen die lettische Regierung die Gehälter drastisch gekürzt oder sie der Erwerbslosigkeit überlassen hatte, waren nun entschlossen, ihre Heimat zu verlassen. Vor dem Crash 2007 hatte der Saldo nur minus 7.946 betragen, 2008 betrug er bereits minus 22.367, in den beiden Folgejahren minus 34.477 bzw. 35.640.

Übrigens: Die KPV wurde bei den EU-Wahlen schwer abgestraft und ihre Kandidaten kamen nicht ins Straßburger Parlament, die Partei erweist sich als zerstritten und ihr Programm ist konfus. Wie mehr junge Paare in den ärmeren EU-Ländern, die unter Bevölkerungsschwund leiden, ermutigt werden sollen, Familien zu gründen und sie davon abgehalten werden, sich am Brain Drain zu beteiligen, bleibt auch in Brüssel eine offene und strittige Frage.




 
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