Lettisches Centrum Münster e.V.

   
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Die Hauswirtschaftsschule von Kauzmünde
26.05.2022


Die “Kaucmindiete” als Herrin des Hauses

Der marode Gutshof Kauzmünde bei Bauska, Foto: Ivars Indans CC BY-SA 3.0Saite

“Aus allen Fenstern strecken sich neugierige Mädchenköpfe. Man wird sehr liebenswürdig empfangen und sofort zum Teetisch geführt, der durchaus nicht nur mit Tee, sondern auch mit vielen weit handfesteren Dingen beladen ist,” so beschrieb ein deutschbaltischer Journalist 1933 seine Ankunft auf dem ehemaligen Gutshof Kauzmünde bei Bauska. Die Mädchen, die meistens aus armen Bauernfamilien stammten, waren Schülerinnen der Hauswirtschaftsschule, die der Zentralverein der Lettischen Landwirtschaft zehn Jahr zuvor eröffnet hatte. Bis 1920 gehörte das Anwesen deutschbaltischen Adeligen, die die lettische Regierung im Zuge der Agrarreform enteignen ließ. Birgita Purina beschrieb für die LSM-Serie “Vai zini?” (Weißt Du?) das Programm und den Alltag der Schule, die als vorbildlich galt (lsm.lv). 


Nach damaligem Rollenverständnis waren Frauen für den Haushalt zuständig. Zweidrittel aller lettischen Einwohner lebten auf dem Land, so dass es vorteilhaft war, auch landwirtschaftliche Kenntnisse zu erwerben. Der Zentralverein eröffnete die Schule nach deutschen Vorbildern im Januar 1923. Im Winter lernten die Mädchen Theoretisches im Vereinsgebäude in der Baznicas iela 4a in Riga, im Sommer zogen sie nach Kauzmünde, um sich auf dem Gutshof praktisch zu betätigen. Sie lernten, Essen zuzubereiten und zu servieren. Der Speiseplan wurde nach den neuesten ernährungsphysiologischen Erkenntnissen erstellt. Sie verarbeiteten die Früchte und Milchprodukte aus dem eigenen Anbau. Die Schülerinnen lernten das Nähen und Weben, mussten die Räume selber sauber halten. Sie erlernten auch die Arbeit in den verschiedenen Gärten und auf den Feldern, mussten sich um die gehaltenen Schweine, Hühner und Kühe kümmern. Zum Hof gehörte eine 400 Hektar große Landwirtschaft; auf deren Feldern pflanzten Hofangestellte Zuckerrüben, Weizen und Roggen. Offenbar herrschte in Kauzmünde ein munteres Muhen, Grunzen und Wiehern. Zum Viehbestand gehörten Schweine, Kühe, Pferde und Esel.  


Auch der theoretische Teil ließ kaum Zeit zur Entspannung. Die Mädchen mussten Kenntnisse in 39 Fächern erwerben, dazu gehörten neben Essenszubereitung, Gartenpflege, Viehhaltung, Wäscherei und Haushaltschemie auch Kunstfertiges wie Ästhetik, Kunstgeschichte, Gesangs- und Musiktheorie und Erzieherisches wie Pädagogik und Psychologie. Zudem wurde “nationale Ideologie” unterrichtet. Birgita Purina meint, dass es kein Wunder sei, dass “Kaucmindiete” noch heutzutage eine Bezeichnung für Frauen sei, die sich durch Stärke, Klugheit und praktische Kenntnisse auszeichneten, Frauen als Alleskönnerinnen. 1944 wurde die Schule geschlossen. Bis dahin hatten sie 516 Schülerinnen absolviert. Die erworbenen Kenntnisse halfen nicht nur, den eigenen Haushalt zu führen, sondern ließen sich auch beruflich nutzen: Die Absolventinnen wurden selbst Hauswirtschaftslehrerinnen, managten die Hauswirtschaft in größeren Institutionen oder leiteten Großküchen in Schulen und Internaten. Mehr als 100 Publikationen haben die Lehrerinnen und Lehrer hinterlassen, darunter 20 Kochbücher. Ihre Werke geben Auskunft über eine lettische Epoche. Bis in die 60er Jahre wurde der Gutshof noch als Technikum genutzt. Seitdem ist das Gelände verwaist und die Gebäude verrotten. Private Investoren haben sich bei der Sanierung übernommen. Es ist ungewiss, ob Kauzmünde eine Zukunft hat (LP: hier).


UB 




 
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