In Riga protestierten Tausende gegen die Impfpflicht
19.08.2021
Aldis Gobzems: “Herr, gib uns Weisheit und Verständnis, um mit jenen zu kämpfen, die uns die Freiheit nehmen.”
Saeima-Abgeordneter Aldis Gobzems, Foto: Saeima CC BY-SA 2.0, Link
Das Nachrichtenportal LSM schätzt die Zahl auf etwa 4.000 Demonstranten, die sich trotz Warnungen der Polizei am Abend des 18. Augusts 2021 in der Rigaer Innenstadt nach und nach versammelten (lsm.lv). Der umstrittene Jurist und Parteigründer Aldis Gobzems (Likums und Kartiba/ Recht und Ordnung) hatte erneut zum Protest gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung aufgerufen. Diesmal richtete sich der Widerstand gegen das Vorhaben des Gesetzgebers, ab Oktober in verschiedenen öffentlichen und privaten Branchen, z.B. in Schulen, Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen, Mitarbeiter zur Impfung gegen Covid-19 zu verpflichten (LP: hier). Juristen und Gewerkschafter kritisieren, dass Angestellte entlassen werden könnten, wenn sie die Impfung verweigerten. Zudem habe die Regierung ihre pauschale Zusage, dass der Staat für Impfschäden finanziell aufkommen werde, nicht rechtlich geregelt. Die Versammelten sorgten sich überwiegend um die Gesundheit von Kindern, die als Schülerinnen und Schüler ebenfalls zur Impfung verpflichtet werden sollen. Nach dem offiziellen Schluss der Kundgebung um 21.30 Uhr blieben einzelne Gruppen auf den Straßen und es kam zu Ausschreitungen.
Um 19 Uhr wurden die ersten 200 Demonstranten am Freiheitsdenkmal in der Rigaer Innenstadt gesichtet, unter ihnen Ainars Slesers. Der ehemalige Verkehrsminister, der sich in den letzten Jahren von der Politik fernhielt, wird von seinen Gegnern als “Oligarch” bezeichnet. In der Menge befanden sich Anhänger seiner gerade gegründeten Partei “Latvija Pirmaja Vieta” (Lettland an erster Stelle). Die Menge zog zur Rigaer Burg, dem Sitz des Staatspräsidenten, wo sich weitere Demonstranten einfanden; die Kundgebung wuchs auf mehrere tausend Teilnehmer an, mehr als die Corona-Bestimmungen zulassen. Auch Abstandsregelungen und Maskenpflicht wurden nicht beachtet.
Die LSM-Journalisten Ilja Kozins und Viktors Demidovs befragten einige Teilnehmer, weshalb sie gegen die Impfpflicht protestierten. Die meisten sind besorgt, dass auch Kinder sich impfen lassen sollen und dass der Staat die Freiheitsrechte der Bürger beschränke. Eine Teilnehmerin meinte: “Ich bin hier hergekommen, weil ich die freie Wahl unterstütze. Damit dem Menschen die Möglichkeit bleibt, selbst zu entscheiden, was er tut.” Gobzems stieg auf das Dach eines Busses und formulierte seine Botschaft als Gebet: “Herr, gib uns Weisheit und Verständnis, um mit jenen zu kämpfen, die uns die Freiheit nehmen. Gott unser Herr, vereinige uns Letten und Russen, Ukrainer und Juden, alle, die Steuern zahlen oder keine Steuern zahlen.”
Offenbar unangekündigt zogen die Teilnehmer weiter zum Haus des Ministerkabinetts, das sich an der viel befahrenen Straße Brivibas Bulvaris befindet. Die Menge hielt den Verkehr auf. Nach weiteren Ansprachen und dem Versprechen der Veranstalter, einen Streik zu organisieren, löste sich die Versammlung gegen 22 Uhr auf. Doch laut Presseberichten blieben größere Gruppen zwischen dem Kabinettsgebäude und dem Freiheitsdenkmal noch bis nach Mitternacht. Manche verhielten sich aggressiv, die Fensterscheibe eines Polizeiwagens ging zu Bruch, jemand schoß einen Feuerwerkskörper ab, ein anderer zündete Rauchbomben. Männer urinierten in den Grünanlagen und schienen alkoholisiert zu sein. Die Polizei räumte zwar die Straße, verwarnte einzelne Personen, nahm aber niemanden fest.
Dennoch wird die Polizei wegen beobachteter Ordnungswidrigkeiten und Gesetzesverstöße ermitteln. Sie setzte als Beweismittel Kameradrohnen ein und will Vergehen wie Missachtung der Corona-Bestimmungen, Alkoholrausch auf öffentlichen Plätzen, Hooliganismus und Sachbeschädigung verfolgen. Armands Ruks, Chef der staatlichen Polizei, zeigt sich besonders über die Veranstalter erbost und kündigt ihnen empfindliche Geldstrafen an: “Im Zusammenhang mit dieser widerrechtlichen Massenversammlung muss man jene fragen, die diese Veranstaltung organisierten und sie widerrechtlich fortsetzen, ob sie bereit sind, für alle Folgen die Verantwortung zu übernehmen, was geschehen ist und noch geschehen wird, darunter für schwerwiegende und nicht mehr rückgängig zu machende? Wir forderten alle auf, sich unverzüglich zu zerstreuen, besonders Eltern mit Kindern, denn in der Menge befanden sich viele Betrunkene und ebenso aggressiv gestimmte Personen, die die Polizei identifiziert hat und sie hat alles unternommen, um die Einhaltung des Gesetzes zu gewährleisten.”
Die Straßendemonstrationen sind nicht die einzige Protestform der Impfkritiker. Auf der Webseite “manabalss.lv”, auf der Initiativen Gesetzesvorschläge formulieren können, hat die Aktion “Impfen muss immer freiwillig sein” bereits mehr als 50.000 Stimmen erreicht, nur 10.000 wären notwendig (manabalss.lv). Nun wird dieser Antrag ins Parlament eingebracht.
UB
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